Kindesunterhalt bei sehr guten Einkommensverhältnissen
Kategorie: Familienrecht
Veröffentlicht am August 19, 2021

Fortschreibung der

Düsseldorfer Tabelle nunmehr möglich

 

Mit Beschluss vom 16. September 2020 hat der BGH seine Rechtsprechung zum Kindesunterhalt bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen abgeändert:

 

status quo im Kindesunterhalt

Zuvor war eine Fortführung der Tabelle ausgeschlossen. Dementsprechend konnten Unterhaltspflichtige mit besonders guten Verdiensten eine Auskunftserteilung vermeiden, indem sie sich für unbegrenzt leistungsfähig erklärten.

Durch die Anerkennung des Unterhalthöchstsatzes war nunmehr der Unterhaltsgläubiger in der Pflicht, wenn er einen höheren Unterhaltsbedarf geltend machen wollte. Er musste in diesem Fall seinen darüberhinausgehenden Bedarf im Einzelnen konkret darlegen und beweisen.

neuere Rechtsprechung zum Ehegattenunterhalt

Bereits im Laufe der letzten Jahre hat der BGH seine bestehende Rechtsprechung diesbezüglich im Ehegattenunterhalt geändert: so ist mittlerweile auch bei einem über den höchsten Tabellenbetrag der Düsseldorfer Tabelle hinausgehenden Familieneinkommen eine Bedarfsermittlung nach der schematischen Quotenmethode, also ohne konkrete Bedarfsermittlung zulässig (Rn. 19 ff. des Beschlusses vom 16.09.2020; beim Ehegattenunterhalt: Rn. 19 ff. des BGH-Beschlusses vom 15.11.2017; Rn. 26 ff. des BGH-Beschlusses vom 25.09.2019).

 

Nunmehr Angleichung für den Kindesunterhalt

Der zwölfte Senat hat mit dem vorliegenden Beschluss die Rechtsprechung zum Kindesunterhalt bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen dementsprechend angeglichen:

Auch hier ist nunmehr bei einem über den höchsten Tabellenbetrag der Düsseldorfer Tabelle hinausgehenden Einkommen des oder der Unterhaltsverpflichteten eine Fortführung der entsprechenden Bedarfssätze zulässig. Derzeit soll dies sogar bis zur Höhe des Doppelten des derzeit höchsten in der Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrages möglich sein.

 

Auskunftspflicht bleibt in jedem Fall bestehen

Auch wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen diesen doppelten Betrag übersteigt, bleibt eine Einkommensauskunft des Pflichtigen jedenfalls erforderlich. Einerseits für den Fall eines eventuellen Mehrbedarfs, den beide Elternteile anteilig nach ihren jeweiligen Einkommensverhältnissen zu tragen haben. Hierfür ist unerlässlich, beider Elternteile Einkommen zu kennen, um die Unterhaltslast entsprechend den Einkünften verteilen zu können.

Andererseits könne die genaue Höhe des Einkommens bei der Abgrenzung herangezogen werden, welche Aufwendungen für Freizeitaktivitäten des Kindes noch angemessener Bedarf und welche bereits als Luxus zu betrachten seien. Denn das Kind leite zwar selbst im Falle einer Trennung der Eltern vor der Geburt seine Lebensstellung grundsätzlich ebenfalls von dem Elternteil ab, mit dem es nie zusammengelebt hat. Es hat aber auch bei diesen Einkommensverhältnissen keinen Anspruch auf bloße Teilhabe am Luxus.

 

Auswirkungen auf die Praxis

Die mögliche Fortschreibung der Tabellensätze erlaubt Unterhaltsberechtigten nunmehr eine erleichterte Durchsetzung höherer Unterhaltssätze in entsprechend gelagerten Fällen, ohne wie bisher die aufwendige Darlegung des konkreten Bedarfs zu erfordern.

Für Unterhaltspflichtige mit sehr günstigen Einkommensverhältnissen dürfte die bisherige Vorgehensweise, sich für unbegrenzt leistungsfähig zu erklären und nach dem höchsten Tabellensatz Unterhalt zu zahlen, um eine Auskunftserteilung zu vermeiden, damit hinfällig sein. Eine entsprechende Auskunftserteilung lässt sich nach der neuen Rechtsprechung schlechterdings nicht vermeiden.

Vielmehr dürfte es sich für den Unterhaltsverpflichteten lohnen, auf der Erteilung der Auskunft zu bestehen, um im Zweifelsfall die Tabellensätze entsprechend der tatsächlichen Einkommensverhältnisse fortführen zu können.

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