Der Zugewinnausgleich bei Scheidung – leicht gemacht
Kategorie: Familienrecht
Veröffentlicht am Juli 13, 2023

Bei Abschluss einer Ehe stellt sich die Frage über die Wahl eines Güterstandes. Den gesetzlichen Regelfall stellt die Zugewinngemeinschaft dar.
§§ 1363 ff. BGB

Dieser gesetzliche Güterstand greift immer dann ein, wenn keine andere notarielle Regelung durch Ehevertrag getroffen wurde (infrage kommen Gütergemeinschaft oder Gütertrennung).

Im Gegensatz zur Gütergemeinschaft bleiben die Vermögensmassen der Ehegatten dabei grundsätzlich getrennt. Bei Ehescheidung erfolgt der sog. Zugewinnausgleich.

 

1. Doch was ist der Zugewinnausgleich und wie wird dieser berechnet? 

 

Das Ziel des Zugewinnausgleichs besteht darin, jeden Ehegatten daran teilhaben zu lassen, was die Ehegatten während der Ehe im Rahmen einer arbeitsteiligen Zusammenarbeit erworben haben.

Im Ergebnis erhält derjenige Ehegatte, der den geringeren Zuerwerb (=Zugewinn) erworben hat, einen Ausgleichsanspruch auf Zahlung der Hälfte des Überschusses.
§ 1378 Abs. 1 BGB

Unter dem Zugewinn versteht man den Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten dessen Anfangsvermögen übersteigt.

Endvermögen ist das Vermögen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Zustellung des Scheidungsantrages.
Anfangsvermögen ist das Vermögen bei Eheschließung.

Daraus ergibt sich folgende Formel:

Zugewinn = Endvermögen abzgl. Anfangsvermögen

Für jeden Ehegatten ist also eine separate Vermögensbilanz zu erstellen.

Beispiel:       

  Ehemann Ehefrau
     
Anfangsvermögen bei Eheschließung 10.000,00 € 30.000,00 €
Endvermögen bei Zustellung Scheidungsantrag 100.000,00 € 60.000,00 €
Zugewinn 90.000,00 € 30.000,00 €
     

Ausgleichsanspruch               (90.000,00 € – 30.000,00 €) : 2 = 30.000,00 €

Die Ehefrau erhält im Beispielsfall folglich einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 30.000,00 €.
Der Ausgleichsanspruch ist mit rechtskräftiger Ehescheidung fällig und in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes zu verzinsen.

 

2. Was fällt in das Anfangs- und was ins Endvermögen?

 

a) Anfangsvermögen

Das Anfangsvermögen ist das Vermögen, dass einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Eintritt des Güterstands, also bei Eheschließung gehört.
Dabei wird der Wert ermittelt, den das Vermögen zum Zeitpunkt der Eheschließung wirtschaftlich hatte.
Daher kann es sinnvoll sein, eine Auflistung der Vermögenswerte bei Eingehung der Ehe vorzunehmen und insbesondere die Belege (vor allem Kontoauszüge der Banken zum Tag der Eheschließung) zu sichern.
§ 1376 Abs. 1 BGB

Wird ein Vermögensverzeichnis bei Beginn der Ehe nicht erstellt, vermutet das Gesetz, dass das Anfangsvermögen der Ehegatten Null beträgt.

Jedem Ehegatten steht ein Auskunftsanspruch über Höhe des Anfangsvermögens nach Beendigung des Güterstandes zu.

Zum Anfangsvermögen zählt auch, was ein Ehegatte von Todes wegen mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erlangt. Auch dieses Vermögen wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen zugerechnet. Man nennt dies das sogenannte privilegierte Vermögen.
Dieses Vermögen soll nicht ausgleichspflichtig sein, weil der Erwerb auf einer besonderen persönlichen Beziehung eines Ehegatten zu dem Zuwendenden beruht. Dies kommt also dem jeweiligen Ehegatten, der privilegiertes Vermögen erworben hat, im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu Gute.
§ 1374 Abs. 2 BGB

Als Beispiel lässt sich hierfür z.B. die Schenkung eines Sparbuches durch die Eltern eines Ehegatten nennen. Das Guthaben des Sparbuches fällt dann dem Anfangsvermögen zu. Ist das Guthaben noch bei Scheidung vorhanden, ist es zugleich auch im Endvermögen in der jeweilig dann vorhandenen Höhe (einschließlich der im Laufe der Jahre hierauf angefallenen Zinsen) zu berücksichtigen.
Gleiches gilt für Erbschaften gleich welcher Art, also Bankguthaben, Immobilien, etc.

b) Endvermögen

Unter dem Endvermögen versteht man das Vermögen, dass einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Zustellung des Scheidungsantrages gehört.
§§ 1374, 1375 BGB

Das Endvermögen kann z.B. durch hohe Schulden auch negativ sein, ebenso das Anfangsvermögen. Der Zugewinn jedoch kann nicht negativ sein und beträgt mindestens Null.

Bei Schulden, die beide Ehegatten eingegangen sind, werden diese jeweils zur Hälfte als Verbindlichkeit bei jedem Ehegatten berücksichtigt.

Das Endvermögen wird also zum konkreten Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrages bewertet. Daher fließen auch Wertsteigerungen mit ein, z.B. der Aufstieg von Ackerland zum Bauland.

Verschenkt ein Ehegatte Vermögensgegenstände an dritte Personen, ohne dass dem eine sittliche Pflicht oder eine Rücksichtnahmepflicht zugrunde liegt, so wird dem Ehegatten dieses (verschwendete) Vermögen im Endvermögen zugerechnet. Dies gilt auch für Handlungen, die ein Ehegatte in der Absicht vornimmt, den anderen Ehegatten zu benachteiligen.
§ 1375 Abs. 2 S. 1 BGB

c) (ehel.) Zuwendungen

Im Laufe einer Ehe ist es üblich, dass sich die Ehegatten auch gegenseitig beschenken. Diese Geschenke können unter Umständen den Wert eines Gelegenheitsgeschenkes übersteigen, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind.

Um derartige Schenkungen für die Berechnung der Ausgleichsforderung zu neutralisieren, wird eine solche Verfügung auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet. Bei dieser Anrechnung wird die Verfügung vom Zugewinn des Zuwendungsempfängers abgezogen und zum Zugewinn des Zuwendenden addiert.

Damit ergibt sich folgende Rechnung:

 

Ehemann Ehefrau
Anfangsvermögen 20.000,00 € 0,00 €
Endvermögen 50.000,00 € 25.000,00 €
Zugewinn 30.000,00 € 25.000,00 €

 

Zuwendung in Höhe von 10.000,00 € von Ehemann an Ehefrau:

 

Zuwendung + 10.000,00 € – 10.000,00 €
 
Zugewinn 40.000,00 € 15.000,00 €

Berechnung Ausgleichsanspruch:    (40.000,00 € – 15.000,00 €) : 2 = 12.500,00 €

Ausgleichsforderung (12.500,00 €) – Zuwendung (10.000,00 €) = 2.500,00 €

Die Ehefrau kann folglich aufgrund der in der Ehe geschehenen unentgeltlichen Zuwendung statt 12.500,00 € nur 2.500,00 € von dem Ehemann verlangen.

3. Geltendmachung

 

Der Zugewinnausgleich kann während der Ehescheidung einvernehmlich geklärt werden.

Einigen sich die Ehegatten nicht, so ist es ratsam, den Zugewinnausgleichsanspruch gerichtlich klären zu lassen. Dies kann während des Ehescheidungsverfahrens erfolgen, aber auch nach Abschluss des rechtskräftigen Scheidungsverfahrens. Zu beachten ist dabei, dass Ausgleichsansprüche nach Ablauf von drei Jahren nach der Ehescheidung verjähren (Verjährungsende zum Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres).

Damit die Eheleute sich nicht auch nach Scheidung noch vermögensrechtlich auseinandersetzen müssen, ist es grundsätzlich sinnvoll, den Zugewinnausgleich zusammen mit dem Scheidungsverfahren zu klären. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Scheidungsfolgensache. Dies bedeutet, dass dann, wenn man den Zugewinnausgleichsantrag im Scheidungsverfahren rechtzeitig bei Gericht anhängig macht, die Ehe nur geschieden wird, wenn auch der Zugewinnausgleich geklärt wurde.

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