Mangel und Mängelrechte im Baurecht – aktuelle Rechtsprechung
Kategorie: Baurecht
Veröffentlicht am April 13, 2020

Mängel und daraus resultierende Mängelrechte sind ein Dauerbrenner der anwaltlichen Praxis im Baurecht. Es geht dabei um Fragen, was überhaupt ein Mangel ist und ob ein Anspruch auf Mangelbeseitigung besteht. Auch Themen wie Rücktritt und Schadensersatz wegen Mängeln sind in der Anwaltspraxis im Baurecht stets aktuell. 

Über nichts anderes wird im Baurecht so viel gestritten, wie über das Vorliegen von Mängeln und daraus resultierende Mängelrechte. Aus diesem grund hat sich eine immer ausgefeiltere Rechtsprechung in Bezug auf Mängel entwickelt, die wiederum auf andere anwendbar sein können. Der folgende Beitrag stellt Ihnen aktuelle Entscheidungen vor, um die Themen Mangel im Baurecht einzelfallbezogen näher zu bringen.

Leistung anders, aber besser – Anspruch auf Mängelbeseitigung?

Häufig hört man in Bauprozessen, eine höherwertigere Ausführung als die vereinbarte könne keinen Mangel darstellen. Diese Argumentation verkennt jedoch wesentliche Grundgedanken der Gesetzessystematik des Mängelrechts. Seit der Schuldrechtsmodernisierung 2002 wird bei der Frage der Mangelhaftigkeit nunmehr vorrangig auf den versprochenen Erfolg und damit letztlich auf die subjektiven Wünsche des Auftraggebers abgestellt. Auf die vielleicht aus objektiver Sicht vorzugswürdige Ausführungsart kommt es nicht an. 

Der Mangel – was versteht man darunter?

Ein Sachmangel liegt vor, wenn dem Werk die vereinbarte Beschaffenheit fehlt (§ 633 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist eine Beschaffenheit nicht vereinbart, so besteht ein Sachmangel, wenn das Werk sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB) oder wenn es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und es keine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann (§ 633 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Da im Baurecht im überwiegenden Fall eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegen dürfte, ist also ein Mangel zu bejahen, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit abweicht.

Mangel auch bei höherwertiger Leistung?

Jede noch so geringe Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung stellt damit einen Mangel dar. Dies selbst dann, wenn sich die Ausführung für den Auftraggeber als technisch oder wirtschaftlich vorteilhafter erweist. 

Eine sachgerechte Lösung dürfte jedoch durch eine präzise Auslegung der Parteivereinbarungen erfolgen können. Denn die vorliegenden Baubeschreibungen o.ä. könnte man als bloße Mindestanforderung an die Herstellung einer bestimmten Belastbarkeit von Beton oder Fliesenbelag verstehen. Eine höhenwertigere Ausführung würde dann bereits schon keinen Verstoß gegen die Beschaffenheitsvereinbarung, und damit keinen Mangel, darstellen.

Anspruch auf Mängelbeseitigung bei höherwertiger Leistung?

Aufgrund der Tatsache, dass jedes Abweichen von der Soll-Beschaffenheit – egal, ob für den Besteller vorteilhaft oder nachtteilig – einen Mangel darstellt, ist die Situation für den Unternehmer zwar schwierig, aber nichts aussichts los. Denn die Rechtsprechung hilft dem Unternehmer dadurch, dass sie dem Besteller nach den Grundsätzen von Treu und Glauben die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen verwehrt. 

So entscheid das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 23.01.2017 – 6 U 150/16), dass der Besteller – auch wenn die Leistung nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht – nach Treu und Glauben keine Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, wenn die Ist-Beschaffenheit aus technischer Sicht höherwertiger ist als die Soll-Beschaffenheit. Der Bundesgerichshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil zurückgewiesen und damit die Entscheidung des OLG Koblenz bestätigt. 

Anerkenntnis von Mangel kann nicht wieder beseitigt werden

Daneben gibt es Fälle, in denen erklärt sich der Auftragnehmer zunächst bereit, die vom Auftraggeber gerügten Mängel zu beseitigen. Später (meist wenn vom Gegner Klage erhoben wurde und die Fronten verhärtet sind) bereut er dies und bestreitet sodann die Verantwortlichkeit für die Mängel. Die Frage ist, ob der Auftragnahmer sein zunächst erklärtes Anerkenntnis wieder beseitigen kann. Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG München (Beschluss vom 23.06.2016 – 27 U 2283/15) sowie nach Nichtzulassungsbeschwerde der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 26.06.2019 – VII ZR 199/16; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) zu beschäftigen. Die Richter entschieden wie folgt:

Wenn sich der Auftragnehmer zunächst bereit erklärt, die vom Auftraggeber gerügten Mängel zu beseiten, so stellt dies vom maßgeblichen Empfängerhorizont des Auftraggebers ein Anerkenntnis dar. Erklärt sich der Auftragnehmer zur Mängelbeseitigung gegenüber dem Besteller bereit, erkennt damit seine Verantwortung für die Mängel an. Für ein Anerkenntnis ist nicht erforderlich, dass die konkrete Art und der Umfang der Mängelbeseitigung und die dafür anfallenden Kosten feststehen. Durch das erklärte Anerkenntnis war er zur Mängelbeseitigung verpflichtet. Das einmal erklärte Anerkenntnis kann durch ein nachfolgendes Bestreiten der Verantwortung für die Mängel nicht wieder beseitigt werden.

Fazit

Das Vorliegen von Mängeln und daraus resultierende Mängelrechte sind in den meisten baurechtlichen Streitigkeiten relevant. Dabei muss man zunächst genau einzelfallbezogen prüfen, ob überhaupt ein Mangel vorliegt. Hierbei muss der Anwalt die Vereinbarungen der Parteien eingehend ausgelegen, um herauszufinden, ob eine bestimmte Beschaffenheit bzw. welcher Werkerfolg vereinbart wurde. Erst dann kann der Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand verglichen werden. 

In den meisten Fällen steht dem Besteller dann Mängelrechte zu. Wird die Leistung anders, aber besser ausgeführt und ist damit für den Besteller technisch oder wirtschaftlich vorteilhaft, kann er sich nach der aktuellen Entscheidung des OLG Koblenz nach Treu und Glauben nicht auf Gewährleistungsansprüche berufen.

Zudem ist es für Auftragnehmer gefährlich, sich zunächst zur Mangelbeseitigung bereit zu erklären. Denn darin kann häufig ein Anerkenntnis gesehen werden. Dies führt dazu, dass sich der Auftragnehmer durch ein späteres Bestreiten nicht wieder von seiner Pflicht zur Mangelbeseitigung lösen kann.

Trotz der dargestellten Rechtsprechung bleibt es dabei, dass jeder Fall anders ist und stets einer genauen – einzelfallbezogenen – rechtlichen Prüfung bedarf. 

Wir beraten und vertreten Sie gern.

Ihr Rechtsanwalt Erler und Rechtsanwalt Uhlmann

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