Versorgungsausgleich – leicht gemacht
Versorgungsausgleich leicht gemacht
Kategorie: Familienrecht
Veröffentlicht am Januar 16, 2024

Bei Ehescheidung wird auch der Versorgungsausgleich durchgeführt.

Weil vielen Mandanten nicht bekannt ist, worum es sich dabei handelt, wollen wir versuchen, dies so einfach wie möglich zu erklären.

 

1. Was ist der Versorgungsausgleich?

 

Es handelt sich dabei um die Berechnung und den Ausgleich der Renten, die jeder Ehegatten während der Ehe erwirtschaftet hat.

 

Grundsatz:
Die während der Ehe bestehenden Rentenanwartschaften z.B. bei der Deutschen Rentenversicherung oder auch betriebliche Renten oder Riester, etc. bleiben für jeden Ehegatten getrennt. Sie werden jedoch bei Scheidung ausgeglichen. Das bedeutet, dass jeder Ehegatte die Hälfte der von dem anderen erwirtschafteten Rentenanwartschaften erhält.

Dem Versorgungsausgleich kommt dabei eine ähnliche Funktion zu, wie dem Zugewinnausgleich.

Häufig arbeitet ein Ehepartner während der Ehe, beispielweise zur Kindererziehung, weniger und sammelt demnach weniger Rentenpunkte als der in Vollzeit arbeitende Ehepartner. Der Ehepartner, der weniger arbeitet oder aus geringeren Einkünften auch weniger in die Rentenversorgung einzahlt, soll im Rentenalter nicht schlechter gestellt werden. Dies hat zur Folge, dass jede der Rentenanwartschaften geteilt wird und auf den jeweils anderen Partner übertragen wird. Dies folgt automatisch durch die Rentenversicherungsträger.

 

2. Welche Bedeutung hat der Versorgungsausgleich im Scheidungsverfahren?

 

Der Versorgungsausgleich ist eine notwendige Folgesache bei der Ehescheidung. Er muss nicht gesondert beantragt werden, anders als z.B. der Zugewinnausgleich oder der nacheheliche Unterhalt.

Daher findet der Versorgungsausgleich in jedem Fall statt, auch bei einvernehmlicher Scheidung. Das Gericht holt im Rahmen des Scheidungsverfahrens Auskünfte bei allen Rentenversorgungsträger eines Ehegatten ein und bereitet den Ausgleich von Amts wegen vor. Der Ausgleich wird durch einen gerichtlichen Beschluss vorgenommen, den auch die Rentenversorgungsträger als Verfahrensbeteiligte erhalten. Sie nehmen den Ausgleich entsprechend dem gerichtlichen Beschluss vor.

Die Ehescheidung kann erst dann erfolgen, wenn sämtliche Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen und das Gericht einen Beschluss über den gegenseitigen Ausgleich der Versorgungsanwartschaften treffen kann. Dadurch kann ein Scheidungsverfahren erheblich verzögert werden.

 

3. Kann man Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich treffen?

 

Es besteht die Möglichkeit, eine vom Regelfall abweichende Vereinbarung über die Scheidungsfolgen zu vereinbaren.
Dementsprechend ist gemäß § 6 VersAusglG auch ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich möglich.

 

Es kommen folgende Optionen in Betracht:

(1) Bereits bei Beginn der Ehe kann eine Regelung zum Versorgungsausgleich getroffen werden, welche diesen ausschließt oder modifiziert. Dabei ist zu beachten, dass eine Vereinbarung nur bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Ehepartner vor dem Notar erfolgen kann.
Wurde eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich im ursprünglichen Ehevertrag noch nicht getroffen, kann dies nachgeholt werden. Die Formvorschriften des Ehevertrages, also die notarielle Beurkundung, gelten auch in diesen Fall.

Dazu wird eine entsprechende Klausel in den Vertrag aufgenommen: „Für den Fall der Scheidung unserer Ehe verzichten wir auf die Durchführung eines Versorgungsausgleichs. Wir nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.“

Um weitere Risiken auszuschließen, sollten neben dieser knappen Formulierung allerdings weitere klarstellende Regelungen getroffen werden.

  • Soll der Verzicht anderweitig, z. B. durch Unterhaltsleistungen, ausgeglichen werden?
  • Was passiert, wenn sich die Lebensumstände im Laufe der Ehe verändern? (z.B. die Geburt eines Kindes)
  • Soll der Verzicht vollumfänglich für alle Anwartschaften gelten? (z.B. Ausschluss nur der gesetzlichen, nicht aber der betrieblichen oder privaten Anwartschaften)

 

(2) Eine Vereinbarung (individuelle Abänderung bzw. Verzicht) ist auch noch im Scheidungsverfahren möglich. Für diesen Fall müssen beide Ehepartner im Scheidungstermin anwaltlich vertreten sein.
Die Vereinbarung wird im Scheidungstermin protokolliert.

 

4. Wann sollte eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich getroffen werden?

 

Ob und wann Sie über eine Vereinbarung (Änderung oder Ausschluss) des Versorgungsausgleiches nachdenken sollten, ist abhängig von Ihrer jeweiligen individuellen Situation.

Der Verzicht oder sonstige Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich müssen von dem Gericht genehmigt werden. Es besteht die Gefahr, dass Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich deshalb unwirksam sind, weil sie einen der Ehegatten benachteiligen. Dies muss das Gericht von Amts wegen prüfen.

Folgende Konstellationen kommen in Betracht:

(1) Beide Ehegatten befinden sich bereits im fortgeschrittenen Alter und haben selbstständig schon ausreichend Rentenpunkte gesammelt.

(2) Für einen der Ehegatten besteht die Möglichkeit einer besonders guten betrieblichen Altersversorgung. Möchte er diese im Scheidungsfall nicht teilen, kann er dem anderen Ehegatten im Gegenzug eine sofort fällige Kapitalzahlung für die Altersversorgung zusprechen.

(3) Da der Versorgungsausgleich das Scheidungsverfahren erheblich verlängert, wird häufig auf den Ausgleich verzichtet, um das Verfahren zu beschleunigen und schneller zu Ende zu bringen.

 

 

5. Wann entfällt die Durchführung des Versorgungsausgleichs?

 

In folgenden besonderen Konstellationen entfällt der Versorgungsausgleich automatisch aufgrund gesetzlicher Anordnung:

(1) Dauerte die Ehe nicht über drei Jahre an, ist ein Verzicht auf den Versorgungsausgleich nicht notwendig. Ein Ausgleich findet nur auf Antrag an das Gericht statt.

(2) Sind die Ausgleichsansprüche nahezu gleichwertig, soll das Gericht von einem Versorgungsausgleich absehen.
Die Ausgleichsansprüche sind gleichwertig, wenn nur eine geringfügige Differenz besteht.
Auf eine Einstufung des Gerichts der Ansprüche als gleichwertig sollten sich die Ehepartner jedoch nicht vollumfänglich verlassen.

(3) Das Gericht sieht auch dann vom Versorgungsausgleich ab, wenn dieser grob unbillig, also ausgesprochen unfair, wäre.

Ein Ausschluss ist in folgenden Fällen denkbar:

a) Zwischen Trennung und Scheidung liegt ein langer Zeitraum
b) Ein schweres Fehlverhalten des einen Ehepartners war ausschlaggebend für die Trennung (gemeint sind schwerwiegende Straftaten gegen den Ehepartner, kein Ehebruch)
c) Wegen der Vereinbarung der Gütertrennung darf der Ehepartner sein privates Vermögen nach der Scheidung für sich behalten, seine Rentenanwartschaft ist jedoch nur gering

Wegen der erheblichen Risiken für die Altersversorgung, die ein Verzicht mit sich bringt und wegen der Gefahr der Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung wird eine vorangehende anwaltliche Beratung empfohlen.

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